Konflikte in der Partnerschaft: Warum sie entstehen und wie Paare damit umgehen können

Wenn kleine Dinge zu großen Konflikten werden

Judith und Sebastian erleben das, was viele Paare kennen: Aus kleinen Alltagsdingen entsteht ein Teufelskreis. Judith ärgert sich über Unordnung, während Sebastian sich zurückzieht und Ruhe sucht. Erst herrscht Schweigen, dann folgt lautes Streiten – bis beide wieder entmutigt auseinandergehen.

Solche Konflikte entstehen nicht nur beim Thema Haushalt. Ob Besuch bei den Eltern, Absprachen zu Terminen oder Kindererziehung – überall lauern Stolpersteine.

Der Teufelskreis aus Vorwürfen

Jeder Vorwurf enthält eine Abwertung. Wer sich abgewertet fühlt, reagiert mit einem Gegenvorwurf. So schaukeln sich Paare hoch: kalt durch Schweigen oder heiß durch laute Auseinandersetzungen. Auf Dauer zehrt das an der Beziehung und baut Groll auf.

Dabei wünschen sich die meisten Paare etwas anderes: Augenhöhe, Gleichwertigkeit und gegenseitige Wertschätzung.

Hinter Vorwürfen stecken unerfüllte Wünsche

Oft sind Vorwürfe nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Darunter liegen Wünsche und Bedürfnisse, die schwer auszusprechen sind. Judith möchte ein gemütliches Zuhause und sich gesehen fühlen. Sebastian sehnt sich nach mehr Zweisamkeit und weniger Kontrolle.

Würde es beiden gelingen, diese Wünsche offen anzusprechen, könnten viele Konflikte entschärft werden.

Unterschiedliche Prägungen in der Beziehung

Die Muster, die wir in unserer Herkunftsfamilie gelernt haben, prägen auch unsere Partnerschaften. Judith hat früh Verantwortung übernommen, Sebastian lernte eher, versorgt zu werden. So tragen beide unbewusst gegensätzliche Rollen weiter.

In der Paarberatung wird deutlich: Wer versteht, woher diese Muster stammen, kann leichter erkennen, dass der Partner nicht „falsch“ ist – sondern anders geprägt.

Von Vorwürfen zu Wünschen – zwei wichtige Schritte

  1. Vorwürfe übersetzen

    Fragen Sie sich: Welchen Wunsch will ich eigentlich ausdrücken? Ein Vorwurf wie „Nie hilfst du im Haushalt!“ kann bedeuten: „Ich wünsche mir Entlastung, damit ich entspannen kann.“


  2. Den Partner nicht erziehen wollen

    Der Versuch, den anderen zu ändern, scheitert fast immer. Stattdessen lohnt es sich, das Anderssein des Partners als Bereicherung zu sehen – genau wie am Anfang der Beziehung.


Der Zauber des Anfangs

Am Anfang war es genau das „Anderssein“, das faszinierte: Judith mochte Sebastians Leichtigkeit, Sebastian liebte Judiths Sinn für Gemütlichkeit. Wer sich daran erinnert, entdeckt den Zauber der Beziehung neu – und verliert sich weniger in gegenseitiger Erziehung.

Biblisches Bild: Martha und Maria

Lk. 10,38-42: 38 Jesus kam mit seinen Jüngern in ein Dorf, wo sie beieiner Frau aufgenommen wurden, die Marta hieß. 39 Maria, ihre Schwester, setztesich zu Jesu Füssen hin und hörte ihm aufmerksam zu. 40 Marta aber warunentwegt mit der Bewirtung ihrer Gäste beschäftigt. Schließlich kam sie zuJesus und fragte: "Herr, siehst du nicht, dass meine Schwester mir dieganze Arbeit überlässt? Kannst du ihr nicht sagen, dass sie mir helfensoll?" 41 Doch Jesus antwortete ihr: "Marta, Marta, du bist um sovieles besorgt und machst dir so viel Mühe. 42 Nur eines aber ist wirklichwichtig und gut! Maria hat sich für dieses eine entschieden, und das kann ihrniemand mehr nehmen."

Aus sozialgeschichtlichem Blickwinkel ist die Geschichte von Marthaund Maria revolutionär. Zwei alleinstehende, bildungsinteressierte Frauen ladeneinen vagabundierenden Junggesellen zum Essen ein. Sie durchbrechen das gesellschaftlich-rigideFrauenbild.  Da lässt sich noch vielsagen. Ich beschränke mich auf das Reden Jesu in Bezug auf den Satz:  „Maria hat das bessere gewählt!“

Schon die biblische Geschichte von Martha und Maria zeigt zwei Rollen: die eine sorgt, die andere hört zu. Beide Seiten sind wichtig – doch entscheidend ist, die Balance zu finden. Auch Paare heute stehen vor dieser Aufgabe: Wann ist Fürsorge dran, wann Loslassen und Nähe?

Was Paare voneinander lernen können

  • Sebastian darf lernen, mehr Verantwortung für das gemeinsame Wohl zu übernehmen.

  • Judith darf lernen, Kontrolle abzugeben und auch im Unperfekten zu entspannen.

  • Beide dürfen erkennen: Verantwortung und Genuss gehören zusammen – und müssen immer wieder neu ausgehandelt werden.

Konflikte sind Chancen

Konflikte gehören zu jeder Partnerschaft. Entscheidend ist nicht, sie zu vermeiden, sondern sie zu nutzen. Hinter jedem Streit verbirgt sich ein Wunsch nach Nähe, Respekt oder Entlastung.

Wenn Paare lernen, diese Wünsche auszusprechen, Vorwürfe in Bedürfnisse zu übersetzen und das Anderssein des Partners als Bereicherung zu sehen, entsteht wieder das, was am Anfang spürbar war: Anziehung, Vertrauen und Zweisamkeit.